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Wahre Kumpels VIII

Mein Schatz und Kater Tristan spielen Katzensolitär. Versteckte Leckerlis müssen unter den blauen Hütchen gefunden und freigelegt werden.

Er: „Nu guck, hier leg‘ ich das hin … Nu guck auch …“

Kater Tristan beäugt interessiert das Bemühen des Menschenmanns.

Er: „Jetzt musste die blaue Kugel wegstoßen. Guck … so macht man das …“

Kater Tristans Blick ist irgendwie … verständnislos.

Er: „Mach‘ dir nichts draus. Irgendwann verstehste das. Wir beide sind eben etwas langsamer …“

Bingo

Ein kleiner grüner Sonnenschirm schmückt ihren Rollator, den sie zufrieden lächelnd über die Straße schiebt. Nein, den Gehweg nutzt sie nicht. Zu abschüssig für sie und ihr Gefährt. Lieber zwingt sie die Nachbarn in ihrer Straße zum Schritttempo. Ihre stützbestrumpften Beine bewegen sich langsam Schritt für Schritt, wobei ihr buntgemustertes Kleid munter im Winde flattert. Fein hat sie sich gemacht! Kirschmundrot sind ihre Lippen, ihre Augen leuchten aufmerksam unter blauem Lidschatten.
Es ist Donnerstag. Bingo-Tag in der Seniorenresidenz. Und da ist sie auf jeden Fall dabei …

Rituale und Kreativität

Rituale haben in unserer Gesellschaft kein besonders gutes Image. Immer wiederkehrendes gilt als langweilig, spießig und wenig kreativ.
Aber ich brauche meine Rituale. Sie bedeuten für mich ein Stück Geborgenheit. Ich fühle mich sicher, kenne ich doch die Abläufe ganz genau, muss nicht viel über das Tun nachdenken, der Kopf entleert sich und eine gewisse Leichtigkeit macht sich breit. Und genau diese Leichtigkeit fördert meine Kreativität.
Also braucht mir keiner zu erzählen, dass Kunst und Gleichmäßigkeit nicht zusammen passen. Im Gegenteil: Ohne den Automatismus durch ständige Wiederholungen kann mein Kopf nicht frei werden für meine eigene Kreativität.

Kölle Alaaf!

In Kölle am Ring
ben ich jeboore
ich han un dat litt mir im Sinn
ming Muttersproch noch nit verloore
un dat es jet wo ich stolz drop ben …

Ich bin, ob ich nun will oder nicht, ein Kölner Urgestein, mit kölschen Vorfahren, auf einem Rosenmontag geboren. Am Abend vor meiner Geburt weigerte sich meine Mutter strikt ins Krankenhaus gefahren zu werden – nicht bevor die Übertragung der Karnevalssitzung im Radio zu Ende sei. Einen Fernseher besaßen meine Eltern in meinem Geburtsjahr noch nicht.
Wahrscheinlich waren die ersten Wiegenlieder, die meine zarten Baby-Ohren aufnahmen, die von Willi Ostermann, begleitet von der Marschmusik diverser Funken. Eines meiner ersten Worte war Alaaf. So rutschte ich also aus dem Geburtskanal direkt in das närrische Treiben Kölns.

Hey Kölle, du ming Stadt am Ring
he wo ich jroß gewoode ben
du bes en Stadt mit Hätz und Siel
hey Kölle, du bes e Jeföhl.

Ja, groß geworden bin ich in meiner Stadt. Und die Karnevalszeit war immer mehr als nur Verkleiden für mich und (be-)trinken für die Erwachsenen um mich herum. Karneval war ein Lebensgefühl, eine Tradition, eine Demonstration von Zusammenhalt und Solidarität. In großen Gruppen gingen wir gemeinsam feiern. War jemand alleine unterwegs, wurde er mit aufgenommen.

Drink doch eine mit
stell dich nit esu an
du steihs he die janze Zick eröm
häste och kei Jeld
dat es janz ejal
drink doch mit und kümmer dich nit dröm.

Es wurde nicht nur einen ausgegeben, die mitgebrachten Frikadellchen und sonstige Leckereien wurden großzügig verteilt. Es wurde viel gesungen, geschunkelt, getanzt. Auf der Straße, selten in einer Kneipe. Ein großes Fest.
Nun, ein Jahr nach meiner Geburt wurde ich das erste Mal zum Rosenmontagszug mitgenommen. Ein Harlekin im Kinderwagen.
Und es folgten viele schöne Karnevalstage in den kommenden Jahren.

Och, wat wor dat fröher schön doch in Colonia …

Ich wurde älter, ging nicht mehr mit meinen Eltern, sondern mit meinen Freunden aus. Hier setzte bereits leise und fast unmerklich eine Veränderung ein. Einige machten ihre ersten Erfahrungen mit Alkohol. Leider! Denn für meine – seit Jahren antrainierte Ausdauer, die man nur ohne oder ganz wenig Alkohol erreichen konnte – machten sie viel zu früh schlapp. Nun, wahrscheinlich hatten sie nie das traditionelle Feiern mit allen Facetten so gelernt wie ich.

Das alte und oftmals wunderschöne Kölner Liedgut kannte kaum noch jemand. Stattdessen wurde lauthals Olala, willst du eine Pizza gegrölt und dann zog die Karawane weiter.

Tja, und so wurde mein Karneval immer kleiner. Ich gehe schon ein paar Jahre nicht mehr aus. Zu anstrengend. Zu laut. Zu schnapslastig. Zu wenig kölsch (nicht zu verwechseln mit dem Getränk – denn das gibt es nicht zu wenig).

Aber ganz heimlich, still und leise wird Karneval die Wohnung mit ein paar Luftschlangen geschmückt, die rote Pappnase hervorgeholt und am Rosenmontag singe ich die kölschen Lieder.

Denn wenn dat Trömmelche jeiht, dann stommer all parat …

In diesem Sinne: KÖLLE ALAAF!

Rituale: Friseurbesuch

Wir waren beim Friseur. Dort sind wir bekannt. Denn wir sind ein Paar an das man sich erinnert.

Nach der großen Begrüßung und der Frage „Wie immer?“ folgt die Kaffee-Bestellung von meinem Schatz, der dann darauf besteht, als erster bedient zu werden, was jedes Mal zur allgemeinen Erheiterung führt.

Dann geht es los. Haare waschen, schneiden. Und ja, man weiß Bescheid – an dieser Stelle des Kopfs ist die Narbe. Geht es so?

Derweil komme auch ich an die Reihe: färben, spülen, pflegen, waschen, schneiden.

Er ist bereits fertig, macht sich auf den Weg in die Einkaufspassage. Zeit totschlagen.

Nach einer Weile kommt er zurück. Ob ich bald fertig sei. Ja, fast. Oh ja, er glaubt zu wissen, was noch kommt: Die Augenhaare müssen noch herausgerissen werden.

Bei dieser Formulierung ereilt mich ein Schmerz, entlockt mir gleichzeitig ein Grinsen.

Nun gut, lasse ich mir auch noch die Augenbrauen zupfen. Fertig! Nur noch bezahlen. Vor dem Friseurgeschäft erfolgt die weitere Tagesplanung: Auf zum Mittagessen beim Italiener.

Auch dort sind wir bekannt. Denn wir sind ein Paar, an das man sich erinnert. Aber das ist eine andere Geschichte …