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Der Nächste bitte …

Geht es mir eigentlich alleine so? Oder fragen sich auch andere Menschen, ob die Termin- und Medikamentenüberwachungsdamen in den Arztpraxen die Patienten für blöde halten? Ich für meinen Teil kann da schon mal ziemlich zickig werden, wenn ich zum Beispiel ein neues Ergotherapie-Rezept für meinen Gatten besorgen will (er ist Dauerpatient) seit nunmehr neun Jahren) und ich immer wieder aufs Neue Fragen über Fragen beantworten und schriftliche Nachweise einreichen soll, die bereits vorliegen. Halleluja, es lebe das bürokratische Gesundheitssystem. Obwohl – von Gesundheit kann man hier wohl kaum sprechen. Diese ewigen Diskussionen können durchaus krank machen. Mich zumindest.

Doch manchmal bekommt man Beispiele vor Augen geführt, die ein gewisses Verständnis für die Gegenseite aufflackern lassen.
Neulich im Wartebereich der Nuklearmedizin: Ich war etwas zu früh und so bot sich mir die Gelegenheit, das Treiben an der Anmeldung zu beobachten.

Dialog Nummer 1:
„Haben Sie eine Überweisung?“
„Nö, so was habe ich doch abgegeben, als ich das letzte Mal hier war.“
„Das war letztes Jahr.“
„Na und?“

Dialog Nummer 2:
„Ihre Versichertenkarte bitte.“
„Wieso? Ich habe doch eine Überweisung.“

Dialog Nummer 3:
„Ich bräuchte dann bitte noch Ihre Versichertenkarte und die Überweisung.“
„Hab ich nicht.“
„Wer schickt sie denn?“
„Der Doktor.“
„Welcher? Wie heißt denn der Arzt?“
„Weiß ich nicht. Der auf der Musterstraße.“

Dialog Nummer 4:
„Auf der Überweisung steht gar nicht, was gemacht werden soll.“
„Ich soll geröntgt werden.“
„Was denn?“

„Was tut Ihnen denn weh?“
„Alles.“

Holla, die Waldfee. Meine Bewunderung für die nicht enden wollende Geduld der Rezeptionsdamen stieg ins Unermessliche. So wurden Lesebrillen ausgegeben und einer Dame mindestens fünf Mal erklärt, wohin sie gehen musste. Und das in einer Lautstärke, die jeden anderen im Wartebereich zusammenschrecken ließ. War anders wohl nicht möglich.

Nun, wenn das Standard in deutschen Arztpraxen ist, dann kann ich vielleicht – ab und zu – wenn mir danach ist, etwas gelassener mit überflüssigen Fragen umgehen.

 

34. Hirntumor-Informationstag

Zweimal jährlich organisiert die „Deutsche Hirntumorhilfe e.V.“ einen Informationstag für Patienten, Angehörige, Ärzte, Pflegepersonal, Interessierte.

Am 10.05.2014 fand dieser Informationstag in Köln statt. Und wir waren dabei. Es erwartete uns ein perfekt organsierter Tag mit interessanten Vorträgen über neurochirurgische Therapiestrategien bei Gliomen und Hirnmetstasen, über Möglichkeiten der PET in der Neuroonkologie, über neue Möglichkeiten der Strahlentherapie und Chemotherapie, über die Therapie epileptischer Anfälle bei Hirntumoren und noch einiges mehr.
Die verschiedenen Referenten waren Professoren in namhaften Kliniken, die sich auf die einzelnen Themen spezialisiert haben und aktiv in der Forschung arbeiten.

In insgesamt sieben jeweils halbstündigen Vorträgen brachten sie die Besucher auf den neuesten Stand der Wissenschaft und beantworteten im Anschluss Fragen, die auch eifrig gestellt wurden.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vereins versorgten alle Gäste aufmerksam und zuvorkommend – fast schon liebevoll – mit Getränken und Speisen während der Pausen und waren auch sonst für jede Hilfestellung ansprechbar.

Ein wirklich gelungener, wenn auch anstrengender Tag.

Doch das Schönste an dieser Veranstaltung war, dass wir mit der Gewissheit nach Hause fahren konnten, immer die beste Behandlung erfahren zu haben. Ein durchaus beruhigendes Gefühl.

Sie tanzen wieder …

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Ein herzliches Dankeschön an alle Daumendrücker!

Wie es war?

Herzklopfen. Ein kurzer, aber heftiger Stich in der Herzgegend. Schwindelgefühle. Ein dumpfes Pochen in den Schläfen. Ob ich rotgesichtig bin? Zumindest fühlt es sich so an. Schon wieder drückt die Blase. Ich ignoriere es. Mir ist heiß, meine Hände rastlos. Greifen, piddeln, knibbeln, kratzen, ringen, halten … Schmerzen. Der Unterleib verkrampft.

Warten! Da sitze ich mit meinem Heft, mache Notizen, während sich die Injektionsnadel für das Kontrastmittel in seinen Arm bohrt. Beschreibe schwindelnd wirr meine Gefühle während Schicht für Schicht sein Gehirn durchleuchtet wird.
Eine Sekunde dauert an, sechzigfach.
Eine Minute dauert an, sechzigfach.

Schon wieder dieser Schwindel, schon wieder dieser Stich in meinem Herzen. Für einen Moment schließe ich die Augen, atme tief durch. Sauge die Gerüche der Radiologie in mich auf. Erahne das Aroma von Nervosität und Angst. Nein, wir sind nicht der Nabel der Welt. Unbekannte Schicksale umgeben mich. Ich habe mir die Haut an meinem rechten Daumen schmerzhaft abgeknibbelt. Es wird ein paar Tage dauern, bis es endgültig wieder verheilt ist.

Es herrscht ein Kommen und Gehen. Es ist eine große, moderne Praxis. Wir sind bekannt. Das Klopfen in meinen Schläfen nimmt zu. Beginnender Kopfschmerz. Ich muss meinen Kiefer entspannen. Locker lassen.

Warten! Grausames Warten. Nein, es gab schon grausameres Warten.

Warten!

Und dann … endlich … die erlösenden Worte: keine Veränderung.

Der Cross-Trainer

Da strample ich nun auf dem Cross-Trainer. Ich … ausgerechnet ich, die doch dem Sport vor einigen Jahren die kalte Schulter zeigt. Ganz konsequent. Ich … die sich nach dieser Entscheidung so gut wie nie zuvor gefühlt hatte.

Und dann hatte die Rheumatologin die Idee, mir eine manuelle Therapie zu verschreiben. Gut. Einverstanden.

Alles fing ganz harmlos an. Nicht nur harmlos – eigentlich sogar ziemlich angenehm. Massagen, leichte Dehnübungen. Ich war einverstanden. Ich war zufrieden.

Doch dann – ich weiß gar nicht genau wie es dazu kam – fand ich mich im Geräte-Fitness-Raum des Therapiezentrums wieder. Auf dem Cross-Trainer! Ich!

Nun strample ich darauf herum wie eine Laborratte, starre blöde durch das Fenster auf die Straße und denke darüber nach, wie es dazu kommen konnte. Da hat mich diese kleine, nette, ruhige Therapeutin doch tatsächlich dazu gebracht, an diesen Höllenmaschinen Hand anzulegen. Und ich merke es erst, als ich schon mitten drin bin, im Training. So eine kleine raffinierte Schlange …

Ich strample immer noch auf diesem Ding herum, meine Beine sind mittlerweile zentnerschwer und … pfui, wie ich das hasse … ich schwitze! Und dann – endlich – die Zeit ist vorbei. Mit zitternden Puddingbeinen klettere ich von diesem Höllenteil. Erstaunlich! Ich fühle mich … irgendwie … so ein ganz kleines bisschen … gut.

Aber zugeben werde ich das nicht … 😉

Rezidiv

Sie starrte auf das Blatt Papier in ihren Händen, das man ihr an der Anmeldung der radiologischen Praxis wortlos überreicht hatte. Rezidiv. Dieses kleine Wort stach hervor, schien einen größeren Schrifttyp zu haben, fettgedruckt, Großbuchstaben, rot. Und doch wusste sie, dass es nicht so war.
Nur 18 Monate nach der schweren OP, die aus ihrem Mann eine pflegebedürftige Person gemacht hatte, nun das. Wie sollte sie ihm diese Nachricht schonend beibringen?
Leise begann der Himmel zu weinen. Sie spürte es nicht. Regungslos stand sie vor der Praxis, starrte auf das Blatt Papier in ihren Händen, auf dieses kleine, große Wort, und ihre Tränen vermischten sich mit dem zarten Nieselregen.
Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so einsam, so verlassen, so verraten gefühlt.

OP gut überstanden! – Wirklich?

Dreieinhalb Monate nach der Diagnose hallte dieses Wort – Raumforderung – immer noch in ihrem Kopf, hatte sich dort festgebissen wie eine Zecke und nährte sich an ihren Gedanken.

Den ganzen Vormittag war sie in der Wohnung auf und ab gelaufen. Gegen Mittag, nachdem sie bereits zweimal in der Klinik angerufen hatte, hielt sie es nicht mehr aus. Warten konnte sie auch vor Ort.

14.15 Uhr. Der Linoleumboden zeigte in der Mitte des Ganges leichte Rissspuren. Sie kam auf 35 haarfeine Kratzer, die sich dunkler von dem Einheitsgrau absetzten. Es waren genau 27 Schritte zum Aufzug. Immer wieder lief sie diese 27 Schritte, bei jedem Dingdong, das den Halt auf der Etage der Station ankündigte. 27 Schritte hin, 27 Schritte wieder zurück, zu ihrem Stuhl, direkt vor dem geschlossenen Eingang der Intensivstation.

16.00 Uhr. Mittlerweile war Besuchszeit. Menschen kamen, baten um Einlass, um ihre Erkrankten zu besuchen. 35 Schritte bis zur Toilette. Eine Krankenschwester hatte Mitleid mit ihr. Brachte ihr eine Tasse Kaffee. Nein, sie hatte noch nichts gehört. Er war noch im OP.

17.45 Uhr. Sie zitterte am ganzen Körper. Schweißperlen auf der Stirn und im Nacken. Wieder 27 Schritte zum Aufzug. 27 Schritte zurück. An den Wänden medizinische Plakate. Schwarze Streifen von angestoßenen Betten. Nein, noch nichts gehört.

18.10 Uhr. Die nette Krankenschwester verkündete: OP beendet. Ihr Mann wird gleich nach oben gebracht. Übelkeit. Erleichterung. Sorge. Schwindel.

18.35 Uhr. Diesmal war es sein Dingdong. Das Bett rollte an ihr vorbei. Ein Kopfverband mit einem Blutfleck auf der Stirn. Die Augen geöffnet. Er sah sie an. Sah er sie wirklich an? Der Arzt kam auf sie zu. Sie hörte ihn und seine Erklärungen, über den Verlauf der OP, über die Tapferkeit ihres Mannes, über die Vorteile einer Wach-OP, über elf Stunden Operation, über den Ausfall der rechten Hand, über …
Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie entschuldigte sich. Der Arzt strich ihr über die Schulter. Hörte auf mit seinen Erklärungen. Alles in Ordnung. Die Anspannung. Alles ist gut. Alles wird gut.

Aber Ärzte sind keine Hellseher.

Raumforderung

Sie starrte auf den Bildschirm vor ihr. Mechanisch stützte sie ihre Hände hinter sich auf die Liege, auf der sie saß. Nur gut, dass sie saß. Ein Schwindel ergriff sie. Wie durch Watte drangen die Worte zu ihr durch.
Nur nicht ohnmächtig werden.
Der Arzt sprach ruhig und sachlich weiter. Aber sie verstand nicht den Sinn dieser Worte.
Raumforderung. Raumforderung. Raumforderung.
Immer wieder hallte dieses Wort in ihrem Innersten. Eine Raumforderung in seinem Kopf. Immer noch starrte sie regungslos auf den Bildschirm vor ihr.
5 x 5 x 4,5 cm, hörte sie den Arzt erklären.
Sie konnte es sehen. Den großen weißen Fleck in diesem Gebilde seines Gehirns. Warum nur?
Langsam drehte sie sich nach links, sah ihn an, den Mann mit einer Raumforderung. Den Mann, den sie liebte und staunte darüber, wie er den Arzt ruhig anlächelte und nickte. Verblüfft registrierte sie, wie er den Arm um sie legte und ein beruhigendes „Ist ok“ flüsterte.
Der Arzt verließ den Raum. Murmelte irgendeine eine Entschuldigung. Schweigend saßen sie nebeneinander. Arm in Arm. Auf der Liege, vor dem Bildschirm, in der Notaufnahme. Raumforderung.