Rheuma ist ein Arschloch

Ich bin sauer. Dieses unqualifizierte Geschwafel geht mir echt auf den Zeiger. Ja, ich kann manchmal kaum eine Tasse heben und ja, ich bin oftmals nicht in der Lage einen Stift zu halten (dabei liebe ich es, mit der Hand zu schreiben, das leicht kratzende Geräusch, wenn die Feder über das Papier gleitet ist wahrlich Musik in meinen Ohren).

Rheumatoide Polyarthritis. Und ja, auch ich hatte einmal eine Phase, in der ich glaubte, dass der Verzicht auf das eine oder andere Lebensmittel, die Zufuhr von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln, das Einreiben mit Ölen aus dem Ich-mach-mir-selber-was-vor-Land, Massagen mit Mittelchen aus der Tiermedizin, Gelenkwickel mit stinkendem Irgendwas, das Herunterwürgen von widerlichen Gesundheitstees, Ölen und Tränken (und noch vieles mehr) die Entzündungswahrscheinlichkeit in den Gelenken drastisch reduzieren könnten. Doch diese Phase ist abgeschlossen. Endgültig. Ich musste einsehen, dass eine medikamentöse Einstellung unabdingbar und ergänzend hierzu eine schonende, auf mich abgestimmte Bewegungstherapie sowie regelmäßige Ruhephasen Schmerzen lindern. Punkt. Hierüber möchte ich auch nicht weiter diskutieren. Nochmal Punkt. Oder besser: Ausrufungszeichen.

Und doch gibt es immer wieder Menschen, die ach so gut gemeinte Ratschläge erteilen. Danke. Und auch danke für Aussagen wie „so alt bist du doch noch gar nicht“, „da musst du etwas gegen tun“ oder „mir tun auch manchmal die Gelenke weh“. Ich kann es nicht mehr hören. Übrigens werden auch gerne verschiedene Autoimmunerkrankungen gegenübergestellt und dann (natürlich in meinem Beisein – ich soll ja schließlich noch etwas lernen) darüber gefachsimpelt, was wohl die schlimmste aller Krankheiten ist. Ranglisten mit Punkten von 1 (aushaltbar) bis 10 (ganz besonders grauslich) werden erstellt. Vornehmlich von Menschen, die keine, aber auch überhaupt keine Erfahrung mit irgendeiner dieser Krankheiten gesammelt haben. Ich wünsche es ihnen auch nicht. (Na ja, meistens jedenfalls nicht).

Aber: Wenn mir bei einem gemeinsamen Frühstück die Kollegin wortlos das Brötchen aus der Hand nimmt um es mir aufzuschneiden, ich akzeptiert werde, wie ich bin, ohne dass nur ein Wort darüber verloren wird, dann bin ich glücklich, dass es sie doch gibt, die Kehrseite der Besserwisserei.

13 Gedanken zu „Rheuma ist ein Arschloch

  1. Frau Tonari

    Das Like gab es jetzt nicht für die Erkrankung, sondern für die Beschreibung der Situation und für die hilfsbereite, aufmerksame Kollegin.
    Krankheiten gleich welcher Art sind immer doof. Und Diskussionen/Ratschläge/Klugscheißereien sind es auch. Meist.
    Ich drück Dich.

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  2. Anna-Lena

    Ich weiß ein wenig darüber durch einen Freund, der regelmäßig Rheumaschübe hat. Ich denke, das erfordert ganz viel Geduld. Davon wünsche ich dir unendlich viel und viele solcher Menschen wie deine Kollegin. ♥

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  3. dorosgedankenduene

    Sehr gut hast du das beschrieben, denn all das was man zu hören bekommt, will man gar nicht hören. Und im entferntesten nachempfinden kann es nur der, der diese Krankheit hat. Und für diese nette Kollegin: Daumen hoch. Und für morgen: Sie sind gedrückt, jetzt schon und sowas von feste 🙂
    Liebe Grüße und ein Drückser
    Doro

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  4. Clara Himmelhoch

    Ich wünsche dir einfach mehr von letzteren Menschen.
    Es ist sehr wohltuend, ich kann das in Bezug auf meine Ohren nachfühlen, da bin ich auch immer glücklich, wenn die Leute allen auf die linke Seite zu dem besseren Ohr gehen und langsamer und deutlicher reden, nicht anfangen zu schreien.
    Du wirst am besten wissen, was für dich gut ist!
    Liebe Grüße von Clara

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  5. Tastenqual

    Mein Lieblingskommentar von anderen: „Du siehst aber so gesund und erholt aus.“ Unterschwellige Botschaft: „Wer so gesund aussieht, simuliert.“
    Lass dich ganz vorsichtig drücken.

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  6. Jeanette

    Ich schick dir ein Lächeln, ein ganz grosses 🙂 Du hast so schön gezeigt, was kleine Gesten bewirken können! Muss mich mal selbst wieder an der Nase nehmen und sie bei mir und bei anderen wieder mehr wertschätzen. Danke dir für diese Einsicht und wie schön, dass du trotz allem Menschen wie deine Kollegin um dich hast 🙂 Liebe Grüsse, Jeanette

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